Inklusion an Schulen – individuelle
Bedürfnisse stehen im Vordergrund
Der größte Denkfehler beim Thema Inklusion entsteht aus der undifferenzierten Betrachtung von
Menschen mit Handicap als homogene
Gruppe. Im Gegenteil, die bestehenden Besonderheiten sind äußerst
vielseitig und sollten jeweils spezielle Berücksichtigung finden. Verschiedene
Defizite bedürfen unterschiedlicher Anpassungen der Schulräume, Arbeitsplätze
und Eingangsbereiche.
Inklusive Einrichtung für
unterschiedliche Nutzergruppen
Inklusion ist spätestens
2018 ein großes Thema an Schulen, Hochschulen und in Unternehmen. Schon die
UN-Behindertenrechtskonvention fordert die gleichberechtigte Teilhabe aller
Menschen bei der Ausbildung und im Arbeitsleben.
Egal ob angeborene oder (was den weit größeren Anteil an
Menschen mit Handicap ausmacht) im Laufe des Lebens erworbene Schädigung: Mit
einer Einschränkung in einem oder mehreren Bereichen sind oft besondere
Begabungen an anderer Stelle verbunden. Sehbehinderte können sich Dinge sehr
gut merken, Autisten erkennen komplexe Muster in Zahlenreihen schneller,
geistig Gehandicapte erfreuen sich auch an redundanten Tätigkeiten. Nicht das
Defizit, sondern die Chance sollte bei
der (Wieder-)Eingliederung die Richtung weisen. Hier setzt gesellschaftlicher
Fortschritt an.
Gelungenes Einrichtungskonzept als wichtiger Teil von Integration
Damit die Teilhabe von Menschen mit Handicap gelingt, kommt
dem Einrichtungskonzept eine herausragende Rolle zu. Dabei wird die
Barrierefreiheit in der Fachliteratur in bauliche
Barrierefreiheit für motorische
Störungen und kommunikative Barrierefreiheit für
Sinneseinschränkungen untergliedert. Wichtiger ist, dass Hochschulen und
Schulen schon mit kleinen Handgriffen oder Investitionen viel in Sachen
Barrierefreiheit bewirken können:
- Die Bereitstellung von Sitzgelegenheiten
in langen Gängen und vor Schulungsräumen erleichtert Menschen mit
Einschränkungen das Warten – und ist nebenbei auch für viele andere eine gern
genutzte Erholungsmöglichkeit.
- Zusätzliche Flexibilität erlangen Sie durch stapelbare Bestuhlung, die im
Bedarfsfall schnell aus dem Weg geräumt werden kann.
- Für Personen mit Defiziten im Stützapparat sind Armlehnen zur Erleichterung des Aufstehens
optimal.
- Zur Berücksichtigung verschiedener Ansprüche und Verwendungsszenarien sind viele Schreibtische höhenverstellbar.
- Die Tische sollten zudem mit einem Rollstuhl unterfahrbar und kippsicher beim Festhalten sein.
Bauliche Barrierfreiheit im Detail
Für private und öffentliche Gebäude gelten unterschiedliche
Regelungen bezüglich der baulichen Vorgaben zur Barrierefreiheit und den
Übergangsfristen.
Wichtige Funktionseinheiten wie Anmeldetresen,
Sanitäranlagen und Besprechungsräume sollten möglichst über barrierefreien und im Idealfall ebenerdigen Zugang verfügen.
Einzelne Stufen oder zu hohe Türschwellen können mit Rampen überbrückt werden.
Schwere Türen sollten mit einer automatischen Türöffnungsfunktion auf
Knopfdruck ausgestattet werden.
Im Gebäude kommt es mit Blick auf die Belange von Menschen
mit Behinderungen auf kurze Wege an. Auch die Einrichtung von
Rückzugsmöglichkeiten ohne Reizüberflutung oder gar ganzen Ruheräumen sollte
erwogen werden.
Treppengeländer und Festhaltegriffe in Sanitäreinrichtungen
sollten jeweils beidseitig montiert werden und auch besonderen Druck- und Zugsbelastungen standhalten können.
Lichtschalter, Briefkastenschlitze, Bedienungselemente kraftbetätigter Türen
und Arbeitsplatten sollen auch für Menschen mit Bewegungseinschränkungen
erreichbar angebracht werden. Türen von Toilettenkabinen, Duschkabinen und
Umkleidekabinen dürfen nicht nach innen schlagen. Weitere, wichtige Aspekte der
baulichen Barrierefreiheit sind unter anderem:
- Orientierung: Die
Beschaffenheit der Fußböden sollte eben und rutschsicher sein. Mit Rücksicht
auf vermindertes Sehvermögen können Orientierungshilfen in den Boden
eingelassen werden, während irritierende Muster fehl am Platz sind. Vermeiden
Sie Rot-Grün-Kontraste.
- Bewegungsfreiheit:
Barrierefreiheit braucht ausreichend Raum für die Wendekreise von Rollstühlen
und anderen Hilfsmitteln. Beachten Sie bei der Anordnung der Möbel im Raum
ausreichende Durchfahrbreiten. Geneigte Ebenen zur Überwindung von
Höhenunterschieden sollten durch Podeste zur Erholung unterbrochen sein und
generell einen Steigungswinkel von 6 Prozent für Selbstfahrer nicht
übersteigen. Mit Anschub oder Elektromotor kann diese Neigung in Ausnahmefällen
bis auf 20 Prozent gesteigert werden, allerdings sollte aus Sicherheitsgründen
keinerlei Seitengefälle bestehen.
- Fluchtwege: Die
Fluchtmöglichkeiten sollten so gestaltet werden, dass auch beeinträchtigte
Personen das Gebäude im Ernstfall selbst ständig verlassen können. Da Aufzüge
bei Brand nicht betriebsfähig sind, muss zumindest die Erreichbarkeit von
Sicherheitszonen in baulich voneinander getrennten Brandabschnitten
gewährleistet werden, von wo aus dann eine Fremdrettung erfolgen kann.
Kommunikative Barrierefreiheit
Inklusion betrifft allerdings nicht nur die bauliche
Barrierefreiheit, die praktisch als „Rahmenbedingung“ anzusehen ist. Als Verantwortlicher
in der Schule oder Hochschule müssen Sie sich auch mit dem „kommunikativen“
Part der Eingliederung befassen – der wiederum sowohl praktische beziehungsweise
körperliche Aspekte einbezieht als auch solche, die direkt mit dem Lernen und
dem Miteinander verbunden sind.
Kommunikationsanlagen sollten mehrere, mindestens jedoch
zwei, Sinne ansprechen. Für Sehbehinderte empfiehlt sich der Einsatz von akustischen Signaltönen oder Sprachansagen.
Hörgeschädigte benötigen entsprechend optische
Warnsignale. Sowohl für eingehende Nachrichten wie Türöffnungssignale als
auch insbesondere für Evakuierungsmeldungen gilt dieser Standard.
Auch Menschen mit
Lernschwierigkeiten bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Zusätzlich zur
frontalen Tafel helfen Flipcharts bei der Berücksichtigung unterschiedlicher
Lerngeschwindigkeiten. Sie eignen sich zum verdeutlichen von Details durch
einfache Sprache oder durch die Zuhilfenahme von Bildern. Auch für
Gruppenarbeiten sind Sie bestens geeignet.
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Sorgen Sie für ausreichend Kontraste und erleichtern Sie damit Sehbehinderten die Orientierung. Softwaretechnisch kann diese Einschränkung am Computerarbeitsplatz durch Bildschirmanpassungen mit großer Schrift oder Vorlesefunktionen kompensiert werden. Bei Veranstaltungen sollten Sehbehinderten Handouts mit den wichtigen Fakten in großer Schrift ausgedruckt vorliegen.
Für Träger von Hörgeräten verfügen professionelle Veranstaltungsräume inzwischen über Induktionsschleifen zur Verstärkung des Saalmikrofons. Im Alltag werden Hörgeschädigte unterstützt, indem alle Gesprächsteilnehmer nacheinander sprechen und zusätzliche Geräuschquellen durch geschlossene Türen und abgedrehte Radios vermieden werden.
Mit Neugier und Respekt gemeinsam wachsen
Wenn Sie nicht wissen, wie Sie mit bestimmten Einschränkungen richtig umgehen sollen, fragen Sie beim Betroffenen nach. Das zeugt von Aufmerksamkeit und hilft Missverständnissen vorzubeugen. Er oder sie weiß am besten, was konkret benötigt wird und kennt alle kleinen Fallstricke aus Erfahrung bestens. Natürlich sind Respekt und Diskretion Grundvoraussetzung solcher Offenheit.
Eventuell können Sie gemeinsam sogar Fördermittel für bauliche Maßnahmen, zur Anpassung des individuellen Arbeitsplatzes oder für Assistenzleistungen abrufen. Beratung bieten Behindertenbeauftragte in Landkreisen und Unternehmen sowie diverse Betroffenenverbände mit ihren Informationsbroschüren.
Fazit: Inklusion baulich, kommunikativ und mit Respekt angehen
Inklusion an Schulen und Hochschulen kann nur gelingen, wenn Sie sich der Bedeutung des Themas wirklich bewusst sind – und natürlich alle anderen Beteiligten auch. Aus rein praktischer Sicht gilt es, die Inklusion in die Bereiche „baulich“ und „kommunikativ“ zu unterteilen. Unterstützen Sie die Gehandicapten mit speziellen Schreibtischen, einfach zu begehenden Räumen und Orientierungshilfen im Lernalltag. Zudem sollten Sie gezielt und individuell auf mögliche Lernschwächen von Betroffenen eingehen. Und: Sprechen Sie mit Eltern und Gehandicapten, um gemeinsam perfekte Lösungen für die Probleme zu finden – dann kann Inklusion wirklich gelingen.